Brief des Vorstandsvorsitzenden

An unsere Aktionärinnen und Aktionäre

„Biotech the Future“ – unter diesem Motto sind wir im Januar 2023 in unser Jubiläumsjahr gestartet und haben das 30-jährige Bestehen des Unternehmens BRAIN Biotech gewürdigt. Die Biotechnologie-Branche rückt zunehmend ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit, um als Schlüsseltechnologie einige der großen gesellschaftlichen Herausforderungen in den Bereichen Ernährung, Gesundheit und Umwelt zu lösen – wir haben daher sehr bewusst unsere Jubiläumsfeierlichkeiten unter dieses Motto gestellt. Im Rahmen einer Image-Kampagne haben sich Mitarbeitende aus der Unternehmensgruppe dazu Gedanken gemacht und in unterhaltsamen Videos beschrieben, was „Biotech the Future“ für sie bedeutet. Insgesamt waren die Feierlichkeiten zu unserem 30-jährigen Jubiläum nach meinen eigenen Beobachtungen und den Rückmeldungen der Gäste eine gelungene Veranstaltung.

Das vergangene Geschäftsjahr war in vielerlei Hinsicht ein erfolgreiches Jahr: Trotz der vielen gesamtwirtschaftlichen Herausforderungen sind wir unserer Unternehmensstrategie treu geblieben und haben den vor vier Jahren eingeschlagenen Weg zu einem profitablen Wachstumsunternehmen konsequent weiterverfolgen können.

Wir haben die finanziellen Ziele, die wir uns für das Geschäftsjahr 2022/23 gesetzt haben, voll und ganz erreicht, obwohl wir mit hartem Gegenwind konfrontiert waren: eine hohe Inflation, die unsere Betriebskosten in die Höhe getrieben hat; angespannte Arbeitsmärkte und steigende Arbeitskosten; anhaltende Unterbrechungen in den Lieferketten; ein zunehmend multipolares politisches Umfeld sowie stark steigende Zinssätze – um nur einige Faktoren zu nennen.

Mehr denn je waren die Fokussierung und klare Verantwortlichkeiten bei Vorstand und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausschlaggebend für den erfolgreichen Abschluss dieses Geschäftsjahres:

  • Das Geschäft der Biocatalysts erwies sich trotz anfänglicher technischer Probleme bei der Inbetriebnahme des zweiten Großfermenters insgesamt als sehr robust und legte einen starken Jahresendspurt hin.
  • Unsere jüngste Akquisition Breatec sorgte über das gesamte Jahr hinweg für ein starkes Wachstum und für steigende Margen.
  • WeissBioTech erholt sich nach erfolgreicher Repositionierung weiter bei Umsatz und Ertrag.
  • Das Segment BioScience zeigte mit einem soliden „TMS“-Geschäft und starken fortgesetzten Partnerschaften insgesamt eine gute Leistung.
  • Unser Akribion-Genomics-Team hat erhebliche wissenschaftliche Fortschritte gemacht und erste kommerzielle Lizenzeinnahmen erzielt.
  • Mit der erfolgreichen Zusammenführung des BioProduct-Segments unter der Führung und der Flagge von Biocatalysts haben wir begonnen, Umsatz- und Kostensynergien im Produktgeschäft beschleunigt zu realisieren.

Ehrgeizige neue Mittelfristziele

In den vergangenen Monaten haben wir in der BRAIN Biotech Gruppe wieder viele Maßnahmen ergriffen, um unser Unternehmen auf eine starke Zukunft auszurichten. Die eingeschlagene ehrgeizige Wachstumsstrategie haben wir in neuen, ambitionierten mittelfristigen Konzernzielen manifestiert. Diese neuen Ziele sowie unsere One-BioProducts-Strategie, die eine entscheidende Grundlage für das Erreichen dieser ehrgeizigen Ziele ist, haben wir erstmals auf dem Kapitalmarkttag im Februar 2023 kommuniziert.

Der Kern unserer One-BioProducts-Strategie: Wir haben unsere Enzymprodukt-Unternehmen unter dem Dach der Biocatalysts Ltd konsolidiert, um die Unternehmensgruppe hin zu einem international führenden Unternehmen für Spezialenzyme und Lebensmittelinhaltsstoffe zu entwickeln. Eine Grundvoraussetzung dafür war die Übernahme der verbliebenen Minderheitsanteile an der Biocatalysts Ltd im Mai 2023 und in den nachfolgenden Monaten haben wir uns darauf konzentriert, die Unternehmen zu integrieren.

Neben einer insgesamt effizienteren Organisation versprechen wir uns von dieser Reorganisation auch eine stärkere Profilierung von Biocatalysts auf den globalen Märkten für Spezialenzyme und Food Ingredients. Das Unternehmen verfügt über einen hohen Bekanntheitsgrad, da das Unternehmen seit 40 Jahren auf dem Markt etabliert ist und sich insbesondere in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie einen hervorragenden Ruf erarbeitet hat. Die Wahl von Biocatalysts als „Mutterschiff“ bedeutet, dass WeissBioTech, Biosun und Breatec als Firmennamen innerhalb der Unternehmensgruppe nicht mehr existieren werden.

Konzentration auf Spezialenzyme

Enzyme spielen in der Bioökonomie eine zentrale Rolle. Sie können Produktionsprozesse nachhaltiger und umweltfreundlicher machen. Sie ermöglichen eine effizientere Nutzung erneuerbarer Ressourcen wie pflanzlicher Biomasse. Sie können herkömmliche chemische Methoden in industriellen Prozessen ersetzen und so den Einsatz von Schadstoffen reduzieren. Sie können den Energieaufwand eines industriellen Prozesses reduzieren. Sie können auch dazu beitragen, Schadstoffe und Umweltverschmutzungen zu beseitigen und wertvolle Metalle ohne den Einsatz aggressiver Chemikalien zu recyceln. Enzyme sind ein Schlüssel zur stofflichen Verwertung von (organischen) Restströmen und damit ein wichtiger Baustein der biobasierten Kreislaufwirtschaft.

Die unter dem Dach von Biocatalysts zusammengeführte Enzym-Produktpalette umfasst rund 350 Spezialenzyme, also Enzyme, die speziell für bestimmte Aufgaben in industriellen Prozessen maßgeschneidert wurden. Sie werden zum Beispiel an bestimmte Prozessbedingungen wie Temperatur, pH-Wert und Substratspezifität angepasst, um Verfahren effizienter zu machen.

Enzyme, aber auch andere mikrobiell hergestellte Proteine – zum Beispiel sogenannte alternative Proteine – werden künftig von der Lebensmittelindustrie noch stärker nachgefragt werden. Die Lebensmittel- und Getränkeindustrie ist unser wichtigster Zielmarkt. Dies war ein weiterer Grund, unser Enzymgeschäft zusammenzulegen und unsere F&E-Kapazitäten weiter zu integrieren.

Forschungscampus als Innovationsmotor

Unsere Aktionärinnen und Aktionäre aus der Region rund um unseren Forschungscampus in Zwingenberg fragen sich vielleicht: Welche Rolle spielt die „Keimzelle“ von BRAIN Biotech künftig im Konzern? Die Antwort: Sie bleibt der Motor für neue Bioprozesse, innovative Produkte und optimierte Produktionsorganismen in der Unternehmensgruppe. Schon heute werden in Zwingenberg zunehmend Forschungs- und Entwicklungsleistungen für die gesamte Gruppe erbracht. Wenn es darum geht, Produktionsstämme für die Produktion im industriellen Maßstab bei Biocatalysts oder einem Auftragshersteller zu optimieren oder Bioprozesse neu zu etablieren, leisten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zwingenberg mit ihrer Expertise einen wichtigen Beitrag.

Einige Beispiele:

  • Für die F&E-Aktivitäten von Akribion Genomics sind die Kolleginnen und Kollegen aus der Technologie-Unit Bioprocess Development als eine Art Dienstleister tätig: Sie stellen die wichtigen Ribonukleoproteine (RNPs) her. Hierbei handelt es sich um die in Zellen aktiven Formen der Nukleasen von Akribion.
  • Die Enzyme Technology erweitert das Produktportfolio im Segment BioProducts um neue Spezialenzyme.
  • Die Enzyme Technology entwickelt auch maßgeschneiderte Spezialenzyme im Kundenauftrag – mit Hilfe unserer bioinformatisch gestützten Discovery- und Engineering-Methoden. Dabei werden die Enzyme mit den gewünschten Eigenschaften ausgestattet, beispielsweise mit höherer Stabilität, verbesserter Aktivität oder optimierter Substratspezifität. Die Gene, die für die gewünschten Enzyme kodieren, werden u. a. mittels unserer proprietären Genome-Editing-Tools in entwickelte mikrobielle Produktionsorganismen eingebracht, so dass das gewünschte Enzym anschließend von den Mikroorganismen in großen Mengen produziert werden kann. Der zugehörige Bioprozess wird in Zwingenberg bis in den vorindustriellen Maßstab entwickelt und anschließend zum Beispiel zu Biocatalysts Ltd in Cardiff transferiert.

Mit unserer außergewöhnlichen Enzym-Expertise, unserem Anwendungs-Know-how in verschiedenen Nischenmärkten und den im vergangenen Geschäftsjahr erweiterten Produktionskapazitäten bei Biocatalysts Ltd sind wir für Anfragen aus der Industrie gut aufgestellt.

Entwicklung der Akribion-Genomics-Aktivitäten

Unser Akribion-Genomics-Team hat im Geschäftsjahr 2022/23 die Vorbereitungen für die Ausgründung als eigenständiges Unternehmen weiter vorangetrieben. In zwei Businessplan-Wettbewerben hat das Team bereits erste Auszeichnungen für seine Innovationen und seine Businesspläne erhalten.

Bei der Technologie handelt es sich um zytotoxische Nukleasen, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu einer neuen Klasse von präzisen Krebstherapien und fortschrittlichen Genom-Editing-Werkzeugen entwickeln wollen. Die Besonderheit der proprietären Nuklease G-dase E® besteht in dem neuartigen Wirkmechanismus, mit dem sich diese Nuklease von den bereits bekannten CRISPR-Nukleasen unterscheidet. Hierfür hat das Europäische Patentamt im September 2023 ein neues Patent für die G-dase E® Nukleasen von BRAIN Biotech als Stoffpatent erteilt.

Neue Drei-Säulen-Berichtsstruktur

Mit der Zusammenführung des Produktgeschäfts haben wir zum Zeitpunkt unserer Halbjahres-Berichterstattung unsere Berichtsstruktur auf eine neue Drei-Säulen-Berichtsstruktur umgestellt. Damit wollen wir – auch Ihnen gegenüber, verehrte Aktionärinnen und Aktionäre – die operative Entwicklung der Unternehmensgruppe in den drei Geschäftssegmenten noch transparenter machen. Wir passen hiermit auch die externe Berichtserstattung an unser internes Managementmodell an.

Die Zusammensetzung des Segments BioIndustrial bleibt bis auf den Verkauf der L.A. Schmitt GmbH unverändert und wurde in BioProducts umbenannt. In diesem Segment sind alle produktbezogenen Aktivitäten des Konzerns im Bereich der anwendungsorientierten Fermentation und Formulierung zusammengefasst. Der Fokus liegt dabei auf der Lebensmittel-, Getränke- und Pharmaindustrie. Folgerichtig sind auch die großtechnischen Fermentationskapazitäten von Biocatalysts diesem Segment zugeordnet.

Die Geschäftsbereiche BioIncubator und BRAIN Biotech Holding wurden aus dem Segment BioScience herausgenommen und werden nun separat ausgewiesen. Das Segment BioScience umfasst nun nur noch die Aktivitäten der BRAIN Biotech Zwingenberg im Bereich Tailor-made-Solutions (TMS) sowie die Aktivitäten der AnalytiCon Discovery.

Mit vereintem Engagement in Richtung Zielgerade

Zwei Fragen werden uns immer wieder gestellt: die Frage nach dem Zeitpunkt des Break-even und die Frage nach unserem niedrigen Aktienkurs.

Zum Break-even: Hier sind wir trotz der hohen Investitionen in unsere Genom-Editing-Plattform auf einem sehr guten Weg. Ich bin sogar stolz darauf, Sie daran erinnern zu können, dass der EBITDA-Breakeven – ohne Akribion – wie vor drei Jahren angekündigt erreicht wurde. Die nächsten logischen Ziele sind ein positives EBIT und ein positiver operativer Cashflow.

Was die niedrige Bewertung des Unternehmens betrifft, kann ich Ihnen versichern: Wir alle arbeiten hart daran, die Basis für eine deutlich höhere Bewertung zu schaffen. Das bedeutet, dass wir unsere strategischen Ziele wie den Ausbau der Sparte BioProducts und die Monetarisierung der Inkubator-Projekte weiter vorantreiben müssen. Es bedeutet auch, unserem Leitsatz „Biotech the Future“ treu zu bleiben, denn wir sind mit Leib und Seele ein Biotech-Unternehmen. Es bedeutet aber auch, jeden Tag Ergebnisse zu liefern, d. h. Umsatzwachstum und Profitabilität. Das Ergebnis sollte ein nachhaltig höherer Aktienkurs sein. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Aktienkurs mittelfristig der positiven Unternehmensentwicklung und den wirtschaftlichen Kennzahlen folgen wird.

Den rund 330 Mitarbeitenden der BRAIN Biotech Gruppe möchte ich an dieser Stelle für ihr großartiges Engagement im vergangenen Jahr danken: für ihre Verlässlichkeit im Kontakt mit unseren Kunden; für ihre Ausdauer bei der Lösung anspruchsvoller Aufgaben; für ihren Mut unkonventionelle Ideen umzusetzen; für ihr lösungsorientiertes Denken und ihre Flexibilität bei sich schnell ändernden Rahmenbedingungen. Sie alle tragen dazu bei, dass wir bei unseren Kunden nicht nur als Lösungsanbieter, sondern auch als Produktlieferant einen exzellenten Ruf genießen.

Das anfangs zitierte Motto „Biotech the Future“ beschreibt auch über unser Jubiläumsjahr hinaus, was uns und die Geschäftstätigkeit der BRAIN Biotech Unternehmensgruppe antreibt: Wir wollen auch in der Zukunft mit dazu beitragen, industrielle Produktionsprozesse zu biologisieren, das heißt, konventionelle Verfahren durch biologische Verfahren oder Verfahrensschritte zu ersetzen bzw. neue Verfahren oder Produkte auf Basis von Mikroorganismen und Enzymen zu entwickeln.

Dem Klimawandel und dem Verlust der biologischen Vielfalt entgegenzuwirken, ist eine vordringliche Aufgabe der Industrie – wie der Wirtschaft insgesamt – aber auch eine Aufgabe von Politik und Gesellschaft. Unser Beitrag dazu ist, unser biotechnologisches Know-how, das wir über drei Jahrzehnte kontinuierlich ausgebaut haben, zur Verfügung zu stellen, damit in der industriellen Produktion positive Umwelteffekte erzielt werden können. Wir werden unseren Beitrag auch weiterhin mit viel Elan und Leidenschaft leisten und dabei unser finanzielles Ziel, ein nachhaltig profitables Unternehmen zu werden, stets im Auge behalten.

Wir sind auf dem besten Weg, uns in Europa, aber auch darüber hinaus, einen der vorderen Plätze als Anbieter von Spezialenzymen zu erarbeiten. Dabei brauchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Ihre zum Teil lange währende Geduld und den mit uns geteilten Optimismus hinsichtlich der Entwicklung des Unternehmens rechnen Ihnen das Management und alle seine Mitarbeitenden hoch an. Umso mehr freuen wir uns, wenn Sie uns weiterhin Ihr Vertrauen schenken und uns als Aktionärinnen und Aktionäre verbunden bleiben.

Adriaan Moelker

Vorstandsvorsitzender
BRAIN Biotech AG